Fraunhofer ISE
Rathaus im Stühlinger: Monitoring bestätigt energetische Zielsetzung
Nach Fertigstellung des »Rathaus im Stühlinger« im Jahr 2017 hat das Fraunhofer ISE das Gebäude in den ersten Betriebsjahren detailliert vermessen und analysiert. Die gute Nachricht: die Zielwerte aus der Planung und die tatsächlichen Verbrauchsdaten stimmen weitgehend überein: Gebäude und Anlagentechnik sind hocheffizient, der Energieverbrauch zur Gebäudekonditionierung (Heizung, Lüftung, Beleuchtung, Trinkwassererwärmung) bilanziell wird fast vollständig durch lokale Nutzung erneuerbarer Energien gedeckt. Das Ziel – ein »Netto-Nullenergiegebäude« - ist damit erreicht.
Die Stadt Freiburg hat mit dem ersten Bauabschnitt des neuen Verwaltungszentrums »Rathaus im Stühlinger« das nach derzeitigem Kenntnisstand europaweit größte Nullenergie-Verwaltungsgebäude mit 22.000 m² Nutzfläche umgesetzt.– Das Gebäude generiert primärenergetisch in der Jahressumme selbst so viel Energie wie es benötigt. Bemessungsgrundlage für diese Primärenergiebilanz ist die zum Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung gültige Energieeinsparverordnung (EnEV), die den Energiebedarf für Heizung, Lüftung, Beleuchtung, Kühlung und Trinkwassererwärmung definiert. Nutzungsabhängiger Bedarf, etwa für Arbeitsgeräte, EDV und Kantine wird in der Bilanzierung nicht berücksichtigt. Somit wurde das Ziel, ein zukunftsorientiertes Energiekonzept mit innovativer, aber schlanker Gebäudetechnik, bei hohen Anforderungen an den Komfort zu realisieren, erreicht.
Das »Rathaus im Stühlinger« ist der erste von drei geplanten Bauabschnitten für ein Projekt, bei dem die Stadt Freiburg verschiedene über die Stadt verteilte Dienststellen an einem Standort bündeln will. Im Sommer 2017 zogen 840 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in das Gebäude ein, im November 2017 erfolgte die Öffnung des Bürgerservicezentrums und damit der Publikumsverkehr.
Will man bei großen, mehrgeschossigen Gebäuden eine ausgeglichene Primärenergiebilanz durch Energiegewinnung am Gebäude erreichen, besteht die Herausforderung darin, dass die Nutzfläche und damit der Energiebedarf mit zunehmender Größe stärker wächst als die für die Energiegewinnung zur Verfügung stehenden Flächen auf dem Dach. Beim »Rathaus im Stühlinger« wurde dieser Problematik begegnet, indem nahezu die gesamte Gebäudehülle – wo sinnvoll und möglich – für die Energiegewinnung genutzt wird. Die additiv zu der Installation auf dem Dach in die Fassade integrierte Photovoltaik dient der aktiven Energiegewinnung. Diese wird ergänzt durch photovoltaisch-thermische Kombi-Kollektoren und einen Gas-Kessel. Die Wärmeversorgung basiert auf einem Niedertemperatur-Konzept. Dabei kommen grundwassergekoppelte Wärmepumpen zum Einsatz. Heizung und Kühlung erfolgen über Flächensysteme in Form einer Betonkernaktivierung in Kombination mit Deckensegeln. Die Kühlung wird nahezu vollständig mit Umweltenergie über einen Grundwasserbrunnen realisiert. Die Deckung von Hochtemperatur-Wärme zur Trinkwassererwärmung – für Kantine und sanitäre Anlagen – erfolgt über einen solarthermisch unterstützten Gaskessel.
Das Fraunhofer ISE hat das Gebäude im Rahmen eines Forschungsprojekts intensiv begleitet, von der Planungsphase über die Umsetzung bis hin zu den ersten Betriebsjahren. Das Monitoring ergibt ein positives Ergebnis: die meisten ermittelten Kennzahlen stimmen mit den Zielwerten der Planung überein – bei neuen Gebäuden mit komplexer Anlagentechnik keine Selbstverständlichkeit. Die Ziele wurden beim Heizwärmeverbrauch, trotz bereits niedriger Verbrauchswerte nicht vollständig erreicht. Auch die Beiträge aus der solarthermischen Anlage liegen unter den Erwartungen. In Summe geht die Primärenergiebilanz jedoch nahezu vollständig auf. »In den Jahren 2018 und 2019 wurde zwar knapp 5% mehr Primärenergie verbraucht als lokal erzeugt«, so Dr. Peter Engelmann, Gruppenleiter Gebäudesystemtechnik am Fraunhofer ISE. »Dennoch ist das Ergebnis als großer Erfolg zu werten, denn das Rathaus im Stühlinger stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass ein Gebäude dieser Größenordnung die Anforderungen an Klimaneutralität erfüllen kann« stellt er abschließend fest.
Das Forschungsprojekt wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert.