Fraunhofer IPA
Ideen für mehr Energieeffizienz in der Industrie
Im Projekt »SynErgie« untersuchen Partner aus Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft seit 2016, wie und mit welchen Technologien die deutsche Industrie ihren Energieverbrauch an das volatile Angebot erneuerbarer Energie in Form von Wind- und Solarparks anpassen kann. Ihre bisherigen Ergebnisse haben sie in einem Buch zusammengefasst.
Das Energieangebot ist gerade hoch und somit die Stromkosten niedrig. Zeitgleich ist die Produktion gerade nicht voll ausgelastet. Deshalb steuern gleich mehrere fahrerlose Transportfahrzeuge die Ladestation an, obwohl ihre Akkus erst halb entladen sind. Schwarmintelligenz macht’s möglich. Ist Strom knapp und teuer, entladen die mobilen Roboter ihre Akkus und stellen Strom zur Verfügung. Auch die Lüftung der Fabrikhalle ist an die intelligente Stromversorgung angepasst. Darum liegt die Temperatur zeitweise etwas über oder unter dem Mittelwert, aber immer im vorgegebenen Temperaturband. Zum selben Zeitpunkt schalten sich die gasbetriebenen thermischen Verbrenner, welche Prozesswärme für industrielle Prozesse bereitstellen, automatisiert ein und werden in Zeiten des günstigeren Stroms durch elektrische Heizregister ersetzt.
Energieflexibilität der deutschen Industrie größer als gedacht
Das sind nur drei von über 40 denkbaren energetischen Flexibilitätsmaßnahmen, die die Forscher stellvertretend für die gesamte Automobilbranche bei Daimler und mehreren Zuliefererbetrieben identifiziert haben und in ihrem Buch »Energieflexibilität in der deutschen Industrie« beschreiben. Unter der Leitung von Professor Eberhard Abele, Leiter des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der Technischen Universität Darmstadt, und Professor Alexander Sauer, der das Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart und den Bereich Ressourceneffiziente Produktion am Fraunhofer IPA leitet, haben die Wissenschaftler acht Wirtschaftszweige beleuchtet und für jeden ein Bündel an Flexibilisierungsmaßnahmen erarbeitet.
Für den Handel mit Strom, der sich aus diesem Flexibilitätspotenzial ergibt, entwerfen die Forscher eine IT-Plattform für den automatisierten und standardisierten Energieflexibilitätshandel. »Bisher ist der kurzfristige Handel mit Energie für kleine und mittelständische Unternehmen nicht immer möglich und meist noch unwirtschaftlich, weil er nicht automatisiert abläuft und der Personalaufwand hoch ist«, sagt Dennis Bauer, Leiter der Koordinierungsstelle des Projekts »SynErgie« und einer der Autoren des Buchs.
Einen ersten Prototyp der cloudbasierten Plattform haben die Forscher bereits zusammen mit der Firma Trimet realisiert. Für den Aluminiumhersteller aus Essen ergibt sich darüber eine attraktive Möglichkeit, den Handel von Lastflexibilität über eine standardisierte Schnittstelle abzuwickeln.
Forschungsprojekt »SynErgie« geht in die zweite Runde
Was die über 100 Wissenschaftler um die Professoren Abele und Sauer in der ersten Phase des Forschungsprojekts »Synchronisierte und energieadaptive Produktionstechnik zur flexiblen Ausrichtung von Industrieprozessen auf eine fluktuierende Energieversorgung« (»SynErgie«) herausgefunden haben, fassen sie in ihrem Abschlussbericht zusammen, der jetzt als Buch erscheint. Das Buch markiert gleichzeitig den Auftakt zur zweiten Förderphase des Projekts. Deren Ziel ist es, die deutsche Industrie zu befähigen, ihren Energieverbrauch noch besser an das volatile Angebot von Wind- und Solarparks anzupassen. Dazu müssen technologische Konzepte weiterentwickelt sowie anhand von Demonstratoren umgesetzt und evaluiert werden. Parallel werden Lösungen erforscht und entwickelt, um diese Flexibilität automatisiert auf bestehenden und neuen Märkten wirtschaftlich zu vermarkten.
»Produzierende Unternehmen müssen die Energie dann nutzen können, wenn sie verfügbar ist. Dafür wollen wir ihnen effiziente Strategien und Werkzeuge an die Hand geben«, erklärt Professor Sauer. Bis 2022 sollen die weiteren Forschungsergebnisse erarbeitet sowie in der Modellregion Augsburg in der Praxis erprobt werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung plant, »SynErgie« in der zweiten Förderphase mit rund 30 Millionen Euro zu fördern.