Fraunhofer IKTS

Fraunhofer startet Entwicklung kältemittelfreier, energieeffizienter elektrokalorischer Wärmepumpen

Wärmepumpen spielen eine entscheidende Rolle in der Energiewende: Nachhaltig erzeugter elektrischer Strom sorgt für Wärme im Winter und gutes Klima im Sommer. Heute arbeiten Wärmepumpen nahezu ausschließlich auf Basis von Kompressor-Technologie. Kompressoren benötigen schädliche Kältemittel, deren Einsatz gesetzlich in Zukunft noch stärker eingeschränkt wird. Vor diesem Hintergrund entwickeln sechs Fraunhofer-Institute im Fraunhofer-Leitprojekt ElKaWe hocheffiziente elektrokalorische Wärmepumpen, die ohne schädliche Kältemittel auskommen.

Leitprojekt ElKaWe der Fraunhofer-Gesellschaft.
© Fraunhofer IPM
Leitprojekt ElKaWe der Fraunhofer-Gesellschaft.

Wärmepumpen auf Basis von Kompressoren werden zum Heizen und Kühlen verwendet. Die in den Systemen eingesetzten Kältemittel sind jedoch schädlich für Klima, Gesundheit oder Umwelt, in einigen Fällen zudem explosiv. Das die Ozonschicht schädigende FCKW wurde längst verboten, und auch der Einsatz von klimaschädlichen Fluorkohlen-wasserstoffen (FKW) wird im Rahmen der europäischen F-Gase-Verordnung stark reglementiert. Festkörperbasierte Wärmepumpen, zu denen elektrokalorische Systeme zählen, arbeiten mit unbedenklichen Fluiden wie zum Beispiel Wasser. Kalorische Systeme sind zudem geräuschlos, was beispielsweise für die Klimatisierung von Elektrofahrzeugen von Bedeutung ist. Bisherige Erkenntnisse geben zudem Grund zur Annahme, dass elektrokalorische Wärmepumpen der Kompressor-Technologie auch im Hinblick auf die Effizienz überlegen sein werden. »Wir sehen die Chance, kompressorbasierte Wärmepumpen langfristig vollständig abzulösen«, sagt Prof. Karsten Buse, Institutsleiter am Fraunhofer IPM, der das Projekt leitet. »Nach den Erkenntnissen, die wir bisher auf dem Gebiet gewinnen konnten, kann die Elektrokalorik disruptives Potenzial für die Wärme- und Kältetechnik haben.«


Wärmepumpen: regenerativ erzeugten Strom für die Wärmeerzeugung nutzbar machen
Laut Umweltbundesamt entfällt mehr als die Hälfte der deutschlandweit eingesetzten Gesamtenergie auf das Heizen und Kühlen. Wärmepumpen, die Umweltwärme für die Heizung und Warmwasserzubereitung in Gebäuden nutzen und mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben werden, sind daher ein wichtiger Baustein für die Wärmewende. Sie sind das fehlende Bindeglied zwischen Strom- und Wärme-Erzeugung, die heute noch immer vorwiegend auf fossile Energieträger baut. Der Zuwachs an Wärmepumpen verläuft jedoch zögerlich. Grund ist die unzureichende Wirtschaftlichkeit. Elektrokalorische Wärmepumpen versprechen einen deutlich höheren Wirkungsgrad, der die Verbreitung von Wärmepumpen für die Gebäudeklimatisierung befördern wird. In der Kältetechnik hat das Forschungsteam vor allem die industrielle Kühltechnik, Fahrzeugklimatisierung, Server- und Schaltschrankkühlungen und Laborkühlschränke im Blick. Grundsätzlich eignet sich die Technologie auch für die Haushaltskühltechnik. Hier weichen die meisten Hersteller inzwischen auf natürliche Kältemittel wie Isobutan oder Propan aus. Letztere sind zwar nicht klimaschädlich, jedoch hochexplosiv, weshalb sie für sicherheitskritische Anwendungen – wie zum Beispiel in der Industrie oder im Automobil – nicht infrage kommen.


Innovationen bei Material und Wärmeübertrag
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden am Material- und Systemaufbau arbeiten, um das disruptive Potenzial der Technologie zu demonstrieren. Das Fraunhofer IKTS verfügt über umfassende Erfahrung mit keramischen elektrokalorischen Materialien und Beschichtungen. Fraunhofer IAP und LBF bringen Know-how zur Entwicklung von Polymermaterialien ein, die für den Einsatz in elektrokalorischen Wärmepumpen weiterentwickelt werden. Spezielle Beschichtungen zur Isolierung und Funktionalisierung der Komponenten entwickelt das Fraunhofer FEP. Das Fraunhofer LBF wird neben den Funktionspolymeren auch Lebensdauer und Zuverlässigkeit der Materialien und Systeme untersuchen. Das Fraunhofer IAF wird die elektrische Ansteuerung für die Wärmepumpen entwickeln. Material und Komponenten müssen langzeitstabil, ausreichend verfügbar, kostengünstig und nicht zuletzt unbedenklich sein. All diese Kompetenzen werden zur Umsetzung eines vollkommen neuartigen, vom Fraunhofer IPM patentierten Systemansatzes zusammengebracht: Dieser sieht vor, den Wärmeübertrag durch eine Kombination aus Verdampfen und Kondensieren eines unschädlichen Fluids in sogenannten Heatpipes mit einer thermischen Diode zu realisieren. Die Wärmeabfuhr erwies sich bisher als Nadelöhr im Hinblick auf die Effizienz elektrokalorischer Systeme: Je schneller sie erfolgt, desto leistungsfähiger ist die Pumpe. Vorstudien zeigen, dass dies mit dem neuen Konzept um sehr viel schneller gelingt. Die Systeme arbeiten ohne aktives Pumpen und erreichen dadurch eine um ein Vielfaches höhere Zyklusfrequenz als bisherige Systeme. In vier Jahren, so das Ziel des Teams, soll ein Demonstrator mit einer Leistung von 100 Watt und einem Temperaturhub von 30 K stehen.
 

Fraunhofer-Leitprojekt »Elektrokalorische Wärmepumpen (ElKaWe)


Das Fraunhofer-Leitprojekt ElKaWe startete am 1. Oktober 2019 und hat eine Laufzeit von vier Jahren. Das Projekt wird von der Fraunhofer-Gesellschaft mit insgesamt 8 Millionen Euro gefördert. Am Projekt beteiligt sind folgende Fraunhofer-Institute:


  • Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM (Projektkoordination)
  • Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS
  • Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF
  • Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP
  • Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF
  • Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP
     

Wie funktioniert eine elektrokalorische Wärmepumpe?

Legt man ein elektrisches Feld an elektrokalorische Materialien an, so richten sich die elektrischen Momente im Feld aus – das Material erwärmt sich. Die entstehende Wärme wird über eine Wärmesenke abgeführt, sodass das Material wieder auf die Ausgangstemperatur abkühlt. Wird nun das elektrische Feld entfernt, so verringert sich die Ordnung der elektrischen Momente, und das Material kühlt ab. Jetzt kann es thermische Energie aus einer Wärmequelle aufnehmen. Der Effekt ist reversibel. So kann ein Zyklus aufgebaut werden, der als effiziente Wärmepumpe zum Kühlen oder Heizen funktioniert.