Fraunhofer ISI
Klimaneutrale Energie aus Power-to-X: Wirtschaftliche Chance und ökologisches Risiko für Marokko
Als sonnen- und windreiches Land ist Marokko prädestiniert dafür, Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu gewinnen. Dieser lässt sich nutzen, um mittels des Power-to-X-Verfahrens (PtX) synthetische Kraftstoffe wie Wasserstoff, Methan oder Ammoniak nahezu klimaneutral herzustellen. Die Nachfrage nach PtX wächst - dementsprechend groß ist das Interesse der marokkanischen Regierung, in PtX zu investieren. Eine Studie des Fraunhofer ISI zeigt: Marokko könnte zum Exportland klimaneutraler Energieträger werden und damit einen großen Beitrag zum Erreichen der Pariser Klimaziele leisten - sofern es Nachhaltigkeitskriterien beachtet.
PtX bedeutet: Strom wird genutzt, um daraus Kraftstoffe oder Grundchemikalien für Düngemittel herzustellen, wie beispielsweise Wasserstoff, Methan oder Ammoniak. Der Vorteil: Diese Stoffe entstehen durch Elektrolyse. Der Strom hierfür kann aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden, was PtX in der Summe klimaneutral macht. Das Verfahren kann damit Prozesse dekarbonisieren, die aus heutiger Sicht nicht oder nur sehr schwer zu dekarbonisieren sind, wie beispielsweise den Flug- oder Schiffsverkehr.
Marokko: vom Importeur fossiler Energieträger und Chemikalien zum Exporteur durch PtX?
Die »Study on the opportunities of Powert-to-X in Morocco«, die das Fraunhofer ISI im Auftrag der Deutsch-Marokkanischen Energiepartnerschaft PAREMA erstellt und dem marokkanischen Energieministerium präsentiert hat, zeigt: Marokko hat gute Voraussetzungen, zum wichtigen Lieferanten für klimaneutral hergestellte Energieträger zu werden. Die klimatischen Bedingungen sind günstig, das Land investiert stark in den Ausbau der Erneuerbaren, zudem sinkt weltweit der Preis für erneuerbar produzierten Strom, was auch die Kosten für das relativ teure PtX-Verfahren verringert.
»Zwei bis vier Prozent der weltweiten Nachfrage nach PtX (ein Markt von 100 bis 680 Milliarden Euro im Jahr 2050) könnten von Marokko gedeckt werden«, sagt Projektleiter Prof. Dr. Wolfgang Eichhammer vom Fraunhofer ISI. Vor allem für synthetisches Ammoniak, das die Grundlage für Düngemittel ist, gebe es ein großes Potenzial. »Marokko importiert ein bis zwei Millionen Tonnen fossil erzeugtes Ammoniak pro Jahr. Bis 2030 könnte das Land mittels PtX diese Menge klimaneutral selbst produzieren und eine ähnliche Menge zusätzlich exportieren.«
Die Lehren aus dem Dilemma um Biokraftstoffe
Doch PtX birgt auch Risiken und bringt Nachteile mit sich. Das geht aus dem Kapitel »Zehn Hypothesen zur Zukunft von PtX in Marokko« hervor, das den Kern der Studie bildet. »Wenn man fossile Energieträger vollständig durch synthetische Energieträger ersetzte, würde sich die aus Erneuerbaren zu erzeugende Strommenge vervielfachen«, sagt Wolfgang Eichhammer. »Dies hätte massive Auswirkungen auf Umwelt und Ressourcen in Marokko, beispielsweise einen erhöhten Flächen-, Wasser- und Ressourcenverbrauch.« Eichhammer erinnert an die Diskussion um Biokraftstoffe und deren Nachhaltigkeit, beispielsweise durch die Verdrängung landwirtschaftlicher Flächen in Brasilien oder Malaysia. »Investitionen in Technologien, die fossile Energieträger ersetzen, dafür aber andere ökologische Risiken mit sich bringen, müssen wohlüberlegt sein und an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft werden.«
Weitere Probleme von PtX: Das Verfahren ist nur dann klimaneutral, wenn erneuerbar erzeugter Strom eingesetzt wird. Überschüssiger Strom aus erneuerbaren Quellen ist nach aktuellem Stand aber begrenzt und würde momentan nur geringe Volllaststunden für Wasserstoffelektrolysen erlauben. Gegenstand von Debatten ist auch die Herkunft des Kohlenstoffs, der für die Herstellung synthetischer kohlenstoffhaltiger Energieträger benötigt wird; direkte Abscheidung aus der Luft (also echtes Recycling von CO2) ist zwar technisch möglich, aber momentan noch teuer. »Energieffizienz, also die Minderung der Nachfrage und die Beschränkung von PtX auf die relevantesten Anwendungsgebiete, ist die oberste Maxime«, sagt Eichhammer. »PtX darf außerdem nicht in Konkurrenz stehen zur generellen Dekarbonisierung des Stromsektors, da der Ausbau von Erneuerbaren nicht beliebig schnell vorangetrieben werden kann«.
Über die Studie
Die »Study on the opportunities of Powert-to-X in Morocco« entstand im Auftrag der Deutsch-Marokkanischen Energiepartnerschaft PAREMA aus einer Kooperation des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ und der marokkanischen Regierung. Die Studie empfiehlt unter anderem, eine detaillierte Energie- und Klimastrategie für Marokko mit expliziten Zielen für das Jahr 2050 zu, sowie Roadmaps für die Entwicklung von Wasserstoff und anderen PtX-Produkten und die dafür notwendige Infrastruktur zu erstellen. Fraunhofer unterstützt die Entwicklung von PtX-Technologien sowohl in Deutschland als in Marokko.