Fraunhofer IWES
Flexible Stromproduktion mit Heizkraftwerken möglich
In Deutschland versorgen 300 Holzheizkraftwerke private und gewerbliche Kunden mit Wärme und produzieren gleichzeitig Strom. Etwa ein Drittel davon ließe sich technisch so erweitern, dass sie den Strom flexibel entsprechend dem Bedarf liefern könnten oder auch elektrische Systemdienstleistungen für die Stabilität des Netzes anbieten könnten. Wirtschaftliche Umsetzungsmöglichkeiten und Hemmnisse diskutierten kürzlich in Berlin Anlagenhersteller, Anlagenbetreiber, Stromhändler, Branchenverbände, Vertreter von Ministerien und Wissenschaftler in einem Fachworkshop, den das Fraunhofer IWES in Kassel im Rahmen des vom Bund geförderten Projekts FlexHKW veranstaltete.
Dringend benötigte Systemkomponente
„Dass ein (weitestgehend) erneuerbares Energiesystem mit der Regelbarkeit der Bioenergie eine dringend benötigte Systemkomponente für die Energiewende zur Verfügung stellt, gilt es im Kontext zukünftiger Rahmenbedingungen für die Bioenergie-Nutzung dringend bei den politischen Entscheidungsträgern einzufordern und in der Öffentlichkeit entsprechend zu würdigen“, stellt Dr. Georg Wagener-Lohse, Vorstandsmitglied im Bundesverband Bioenergie BBE entschieden fest.
„Rund 300 Holzheizkraftwerke produzieren in Deutschland derzeit knapp 10 TWh elektrische Energie pro Jahr mit einer gesamten elektrischen Anschlussleistung nahe 2 GW. Die am häufigsten in diesem Kraftwerkspark vorzufindenden technischen Komponenten sind die Vorschubrostfeuerung, Wasserrohr- und Thermoölkessel sowie Entnahmekondensationsturbinen und Organic-Rankine-Cycle-Anlagen (ORC), berichteten die Projektpartner Fraunhofer IWES und Seeger Engineering GmbH.
„Holzheizkraftwerke weisen gegenüber Biogasanlagen systematische Ähnlichkeiten auf. Beide nutzen Biomasse als Energieträger, verfügen über eine relativ träge reagierende Feuerung bzw. Fermenter und produzieren elektrischen Strom mit schnell modulierbaren Turbinen bzw. Motoren. Jedoch verfügen Biogasanlagen über einen Gasspeicher, der die Gasproduktion des Fermenters von der Stromproduktion entkoppeln kann. Holzheizkraftwerke priorisieren in den meisten Fällen eine Wärmeversorgung ihrer Kunden, eine davon unabhängige Stromproduktion lässt sich oft nur mit einem zusätzlichen Wärmespeicher realisieren“, hob Uwe Hoffstede vom Fraunhofer IWES in Kassel und Leiter des vom Bund geförderten Projekts FlexHKW hervor.
Derzeit kaum finanzielle Anreize für einen flexiblen Betrieb von Heizkraftwerken
Eine Anlage mit ORC-Turbine verfügt - selbst mit Einsatz eines Wärmespeichers - kaum über finanzielle Anreize zur flexiblen Stromproduktion. Mit ein Grund hierfür ist die EEG-Vergütung (Grundvergütung, KWK-Bonus, ggf. Innovationsbonus), welche solche Anlagen erhalten. „Kommen jedoch Entnahmekondensationsturbinen zum Einsatz, kann sich der Einsatz eines Wärmespeichers rechnen, vor allem bei Heizkraftwerken, die vergleichsweise knapp im Vergleich zum Wärmeverbrauchsprofil dimensioniert sind. Die Wirtschaftlichkeit ergibt sich vor allem durch den Wegfall der Brennstoffkosten für den Spitzenlastkessel“, erklärte Michael Schreiber vom Fraunhofer IWES in Kassel.
Welche Lösung die Demonstrationsanlage der Bioenergie Wächtersbach (ORC-Anlage) für sich gefunden hat, stellte Tim Steindamm, Seeger Engineering, vor: „Da sich ein Wärmespeicher für das Heizkraftwerk nicht rechnete, wurde ein Bypass um die Turbine genutzt und einige Modifikationen in der Anlagensteuerung vorgenommen. Damit ist es nun möglich, bei geringerem Strombedarf einen Teil des Dampfes an der Turbine vorbeizuleiten und zum Aufheizen des Wärmenetzes zu nutzen. Die Kosten dafür beliefen sich auf unter 10.000 Euro. Diese Investitionen haben sich bereits nach einem Jahr durch die Bereitstellung von Minutenreserve und (negativer) Sekundärregelleistung amortisiert.“
Flexibilisierungspotenzial: etwa ein Drittel des deutschen Heizkraftwerksparks
Zusammenfassend stellte Alexander Krautz (Next Kraftwerke) fest, dass einige Biomasse befeuerte Heizkraftwerke bereits heute in der Lage sind, flexibel Strom zu produzieren und auch Systemdienstleistungen bereitzustellen. Die wirtschaftlichen Anreize für einen flexiblen Betrieb sowie für Investitionen zur Verbesserung der Regelbarkeit und allgemeinen Anlagenflexibilisierung sind derzeit jedoch noch gering.
Das Flexibilisierungspotential des aktuellen Heizkraftwerkparks in Deutschland schätzten die Teilnehmer des Workshops auf etwa ein Drittel der installierten elektrischen Leistung ein, wobei insbesondere ein schnelles Absenken der elektrischen Leistung technisch möglich und wirtschaftlich machbar ist.